The Daily Rape
NICHTS NEUES AUS MITTE. Berlin ist eine Kongglomerat aus vielen
Dörfern. Eines dieser Doerfer heisst Mitte. ist das groesste Dorf
Deutschlands. Alles ist ineinander verflochten, jeder kennt sich,
irgendwie hat jeder mit jedem irgendwas zu tun, beim Einkaufen
trifft man Bekannte und plauscht. In diesem Dorf ist in den letzten
zehn Jahren, und mit erhoehter Beschleunigung, in den letzten vier
bzw. zwei Jahren, sehr viel passiert. Vieles hat sich veraendert,
ist verschwunden oder neu aufgetaucht. Orte, Haeuser, Fassaden,
Laeden, Bars, Menschen, Gesichter, Gesichtsausdruecke, Ideen,
Konzepte, Moden - das ist der Lauf der Geschichte ... so vieles ist
passiert (- komischerweise gibt es kein Film und eigentlich auch
fast kein Buch, in dem etwas von dieser Geschichte, von der starken
Veraenderung ueberzeugend verarbeitet und dargestellt wurde, doch
das ist ein anderes Thema (in Babelsberg dreht man lieber
100Millionen Mark - Stalingrad filme ...)). Hat man sich ein Bild
von Mitte gemacht, ist es schon wieder verschwunden. Mitte ist
nicht, eigentlich existiert es ja gar nicht. Dennoch bleibt dieser
nicht zu bestimmende und sich permanent veraendernde Ort (m)eine
Heimat. Ich rege mich ueber Veraenderungen auf und lebe mit ihnen.
Orte, die man heute noch abgelehnt hat, koennen morgen schon besucht
und zur Gewohnheit werden. Viele Dinge werden auch so schnell
vergessen, man passt sich an. Alteingesessene Orte wie das Zosch in
der Tucholskystrasse enttaeuschen ploetzlich durch unmoegliche
Bierpreise (6 Markderhalbeliter). Berlin ist drauf und dran,
Muenchen bei den Bier- und Mietpreisen zu ueberholen .... Viel
schlimmer, Berlin wird sich bald nicht mehr von anderen deutschen
Grossstaedten unterscheiden. Ganz exemplarisch fuer die Veraenderung
in Mitte steht der Pogoclub. Er befand sich im Keller der Kunstwerke
in der Auguststrasse, eine von Klaus Biesenbach vor Jahren
gegruendete und kräftig subventionierte Riesengalerie mit hohem
Unterhaltungswert, und ist jetzt immer Freitags im Mudd Club in der
Grossen Hamburger Strasse. Warum Pogo, der unkontrollierte Tanz der
Punks, den nicht nur Die, Ende der 70er und in den 80ern tanzten,
fuer den Namen diesen Club herhalten musste , kann nur spekuliert
werden. Das eigentlich besondere an diesem Club ist, dass er wie ein
Heimatmuseum funktioniert. Er zeigt seinen Gaesten, wie es war, im
Club, in Mitte, in den 90ern ... : An einem Tag in der Woche hatte
er offen, kannte man diesen Tag, gehörte man zu den Eingeweihten und
machte sich auf die Suche: nirgends ein Schild oder Hinweis, im
Hinterhof eine Treppe in den Keller, man betritt ein Gewölbe, Licht
blendet, dann wieder Dunkelheit, da Toene, dort der Tresen, super,
es gibt Selleriestangen und billiges Bier ! ... (das erste Cookies
war uebrigens auch ein sehr angenehmer Ort und befand sich nur
einige Schritte vom heutigen Pogoclub entfernt) Herrschaftszeiten,
was will den das Filmteam dort ?. ... - Von diesem Mythos lebt
Berlin (Mitte) mittlerweile nicht schlecht. Der Haken am Pogoclub
ist: Die hier erzeugte Atmosphaere ist kuenstlich. Die Gaeste haben
nichts mit den Leuten zu tun, die in den (fruehen) 90ern durch die
zahllosen improvisierten und halblegalen Clubs in Mitte zogen, sie
sind reine Staffage, Heimatmuseumsbesucher eben (1). Trotzdem
koennen sich Kuenstler, Galeristen, die schreibende Zunft und
Hipster auf diesen Ort einigen, auch Ich war dort: Man trifft sich,
sieht sich und bespricht sich. Ich hielt es dort meist nur ne Stunde
aus, das letzte (teure) Bier trinken und dann schnell nach Hause
verschwinden. Berlin: Ploetzlich leben und arbeiten hier Menschen,
die man vorher nie gesehen und eigentlich auch nicht erwartet hätte.
Sie sind in allererster Linie aus beruflichen Gruenden hierher
gekommen und arbeiten in der New Economy oder in der Politik. Wenn
ein Zeitgeistmagazin mal wieder eine IN und OUT -Liste
veroeffentlicht, dann koennte es bei IN schreiben: nach Berlin
ziehen . Und genau deshalb ist es OUT ! (Auch das JETZT-Magazin der
Sueddeutschen Zeitung hat jetzt Berlin als Thema entdeckt)
Urspruenglich kam ich nach Berlin, weil es eben nicht so war wie in
den anderen Städten: keine schicken Szenekneipen, fast keine
Geschaefte, keine in sich selbst verliebte Szene, einfach nichts ...
- und natuerlich billige Wohnungen. Mitte ist den ganz natuerlichen
Weg gegangen. Das Kapital hat Einzug gehalten und Berlin verkauft
sich mit dem Slogan: Berlin - Lebenswerte Stadt - Na ja, auch nicht
besser oder schlechter als Weltstadt mit Herz. Dann schon lieber
Steig aus in Stuttgart. „Lebenswerte Stadt“ impliziert den Wunsch
nach Zuzueglern - aber bitte keine Wehrdienstverweigerer, Aussteiger
oder Freaks. Nach wie vor ziehen die Leute her, um neu anzufangen
oder weil sie hier die besten Moeglichkeiten sehen, sich zu
verwirklichen. Doch die neuen Zuzuegler kommen primaer aus
beruflichen Gruenden und Sie empfinden diesen Lebensraum ploetzlich
als angenehm. (Assoziationen wie „schmutziges Kreuzberg,
Hausbesetzer und Strassenkampf“ haben vielleicht noch einige aeltere
Generationen vom Lande). Das unschuldige Paradies ist Berlin schon
lange nicht mehr. Es ist nicht mehr so einfach, billige leerstehende
Raeume anzumieten, zum Arbeiten oder um eine Quasigalerie, eine
Tagesbar oder einen halblegalen Konzeptclub zu eroeffnen.
Lustigerweise schrumpft Berlin nach wie vor. Zu- und Wegzuegler
halten sich zwar die Waage, aber die Sterberate uebertrifft die
Geburtenrate bei weiten. In fuenfzehn Jahren ist Berlin um eine
halbe Million Menschen kleiner geworden. Deshalb besteht hohes
Interesse an Ausländern, nur qualifiziert sollten sie sein (man
kennt das ja schon von der Green Card Diskussion ...). Was das alles
soll ? Keine Ahnung! Ich werde erstmal hier wohnen bleiben und, wenn
es garnicht mehr geht, dann ab nach Pankow oder Petersburg!
________________________ zu 1) aus einer email diskussion, herbst
2000:
A: „Freitag der 13. Ehemalige Staatsbank der DDR. Wir sind einer
Einladung von „Cookies“ und „Freshmilk“ gefolgt: Menschentrauben vor
dem Eingang. Schlimmste Selektion an der Eingangstür, die sich
innerhalb des Gebäudes fortsetzt. Der Innenraum ist optisch mit
Werbung vollgesaut, permanent werden - zu einer gnadenlos schlecht
ausgesteuerten Musik - drittklassige Freshmilk-Trailer und ein um
sich selbst drehendes Logo einer Zigarettenfirma an die Wand
projeziert. Ausschliesslich Frauen verteilen Gratiszigaretten dieser
Marke, gutaussehende Männer in dem gleichen Job sind den
Berlin-Mitte-Boys offensichtlich nicht zuzumuten.
Überdurchschnittlich viele Frauen sind anwesend. In einem
kulturellen Klima, indem jeder ermutigt wird, sich selbst zu
kreieren und seine Person nach allen Regeln der Kunst auszubeuten,
sind diese Frauen die Leprakranken des Mitte-Kapitalismus. Später
werden sich welche vor unseren Augen um ihre männliche Beute
prügeln. Hochgepuscht von einem Hype des Mitte-Booms, der sich nun
mehr rasend schnell nur noch um sich selber dreht, weil die Inhalte
– falls es sie jemals gab – nun gänzlich fehlen, werden sie von
denjenigen, die gleichermassen auf Karriere und Geld aus sind, als
menschliches Strandgut abgetan, was nichts weiter als Arroganz und
einen gänsehauterzeugenden Mangel an Menschlichkeit offenbart.
Freshmilk, hört man aus der Gerüchteküche, bezahlt seine Mitarbeiter
nicht, drückt die Preise für Geschäftspartner und droht den
Vermietern der Staatsbank mit Prozessen, weil die nach erstem
Augenschein der peinlichen Einladungskarte einen Rückzieher machen
wollten. Wäre Ihnen doch der Erfolg beschieden gewesen. Die ganze
„Party“ offenbarte das Missverständnis, was eine Party ausmacht: das
nicht einmal das Gegenteil von dem was dort gegeben wurde, richtig,
also eine gute Party gewesen wäre. Uns kotzt die selbstgefällige Art
und Weise dieser Cookies und Freshmilks an. Der zunehmende
Narzissmus und die mangelnde Perspektive der Neuen Mitte ist die
eine Seite am opulenten Büffet der Selbstbeweihräucherung - die
andere Seite an solch einer Veranstaltung ist diese erschreckende
Inhaltslosigkeit. Da ist nichts. Und wir befürchten, das da auch
nichts mehr kommt. Im Moment sind nicht alle Beiträge schlecht, weil
es der Geschäftsführung noch gelingt, ihre „Agenten“ für hohle
Versprechungen zu Vampiren Ihrer „Szene“ zu machen - so geschehen
auch mit unserer Galerie. Später wenn die Doofen dann auch klick,
klick machen können, werden natürlich auch die Inhalte noch dümmer
werden – welcome to „beyond tv“! Bis jetzt haben wir mitgespielt,
uns amüsierte wie sich diese
Neue-Mitte-Szene-Internet-irgendwas-mit-Start-Up-Menschen den Kopf
über ihren nicht bezahlten Job (Beruf?) zermartern, als ob er eine
Mischung aus gewonnenem Zweiten Weltkrieg und der selbstlosen Pflege
von ausländischen krebskranken Kindern wäre. Diese Szene ist so
selbstzufrieden, dass sie sich an ihrem Aktivismus berauschen wie an
Kokain – es lähmt dich zwar irgendwie, aber du fühlst dich gut.
Bitte, ladet uns nicht mehr ein. Streicht uns von Euren
Mailinglisten. Nehmt die Beiträge über uns von Eurem Server.
Ignoriert uns, so wie wir Euch in Zukunft ignorieren werden. Dieser
Deal ist perfekt. Danke. (P.S.) B: „ mir geht dieser
mitte-medien-hype und der ausverkauf "unserer" clubkultur auch so
ziemlich auf den milch und keks. man fühlt sich neuerdings in mitte
so "entfremdet". das geht vielen, die hier schon länger als
engagierte macher kulturmässig unterwegs sind, noch viel stärker so
wie mir, die ich nur kritische "konsumentin" bin. es stürmen
plötzlich menschen unsere vielen liebgewordenen und lange
gewachsenen treffpunkte, die den geist dieser orte weder
wahrzunehmen noch zu respektieren scheinen. und es gestalten seit
einer weile zunehmend menschen die kultur in mitte, die die "traditon"
dieses ortes nicht zu würdigen scheinen, und denen es anscheinend um
blossen profit oder ihr image geht (ganz davon abgesehen, dass auch
ich mich nicht daran wagen würde, die "tradition dieses ortes" zu
definieren oder einzuklagen). ich spüre den unmut über diese seit
anderthalb jahren verstärkte entfremdung in meinem umfeld zunehmen.
nichts gegen veränderung und neue impulse an sich - aber wohin geht
unsere clubkultur angesichts dieses materiellen hypes und der
selbsbeweihräucherung??“ (maike coelle) – Februar 2001.
Die Kleingartenkolonie der Erinnerungen
Clubs Kneipen Bars, 2002 von Ran Huber.
Ein weiteres, dreckschleuderndes Textlein nach langer Zeit. Neue
Informationen über Negativentwicklungen in Szene-Berlinmitte? So
müde bin ich geworden in den letzten Wochen. Ist das das Blei im
Blut (bei Städtern üblicherweise höher als beim Landadel)?
Übersteigt der Bleigehalt im Blut einen bestimmtem Wert dann trifft
man Schlafes Bruder. Krude Theorien... Vielleicht liegt´s daran ,
dass 2002 ein Scheissjahr war, 2003 also nur besser werden kann (so,
oder so ähnlich sagt das auch Gerhard Schröder ..., [wer ist das
eigentlich?]).
"Die Kleingartenkolonie meiner Erinnerungen liegt da wie
ausgestorben!"
What happened also? finally ? Wo wa´ dat gute. Watt wa´ los?
WHITE TRASH
Ein Lichtblick war die Wiedereröffnung des "White Trash" , genauer
"White Trash Fast Food (Gallery)": Ein amerikanischer Koch und ein
Hamburger Rock´n'Roll-model haben im Originalambiente eines
ehemaligen Chinarestaurants (die, die immer leer sind ...) eine
Volksküche für die Szene eröffnet, eine Art positiver Gegenentwurf
zum Cookies. Während man dort sagt, dass man die Szene ist und
deshalb auch da ist, geht man im White Trash die Sache mit etwas
mehr Understatement an: "Wir wissen, dass das hier die Szene ist,
würden es aber nie sagen und tun deshalb so als ob das hier die
natürlichste Sache der Welt ist." Ist es ja letztendlich auch, und
das liegt hauptsächlich an den extrem sympathischen und
unkomplizierten Machern und dem Personal des Ladens in der
Torstrasse. Es gibt leckeres aber auch sehr pampfiges Essen, ein
frisches und grosses Salatbuffet und Suppe. Gute Musik (meist Rock
bzw Gitarre), Alex Hacke als 1AResident-LaptopDJ und viele weibliche
DJs, Livekünstler und Trashqueens, ...
WOHNBAR / NIKE
Im White Trash gibts keine windigen Überflieger, wie die Macher der
"Wohnbar" schräg gegenüber. Das schwärzeste Kapitel Berliner
Clubgeschichte ist , Gott sei dank, schon wieder Berliner
Clubgeschichte. Von aussen betrachtet schien die Wohnbar eine
interessanter Ort, sie hatte den klassischen Anstrich Berliner
halblegal-Illegal-Tages-Bars. Irgendwie oder von irgendwem hatte man
davon gehört, dann noch erfahren, dass man nur mit einem Schlüssel
reinkommt und plötzlich wusste man, wo sie sich befindet. Im vierten
Stock des Hauses in dem (immer noch) die Maschenmode Galerie ist und
früher das Dirt war. Eine spannende Sache also .... Nur: Reinkommen
war ziemlich schon schwer bzw unmöglich. Das war neu!
Die, die reinkamen und die man kannte, berichteten nichts genaues
oder waren voller Hass und schliesslich kam ans Licht was die
Wohnbar war: Eine von Nike gesponsorte Bar fuer das
Hippemitteklientel, in der die Einrichtung (z.B. Billardtisch) von
neu auf alt getrimmt war, überall Fotos von Nikeschuhen an der Wand
rumhingen und das Personal selbige in echt an den Füssen trugen.
Zunächst bekommt man Wut auf den Konzern, der immer infamere
Methoden benutzt , um sich bei seinen (potentiellen) Kunden beliebt
zu machen, dann merkte ich aber, dass die grössten Deppen die Leute
sind, die dort hingehen (Kann immer noch nicht verstehen, dass
selbst die nettesten Leute Pullis mit dem Swoosh tragen oder Lacoste
Hemden, aber das ist ja fast schon wieder süss). Denn: Jeder Mensch
hat die Freiheit, sich gegen etwas zu entscheiden, oder besser noch,
nichts zu tun! Abgesehen von Nike und den Wohnbarbesuchern, gab es
da natürlich noch die Macher, die sich jetzt immerhin rühmen können,
den Tiefpunkt Berliner Tagesbarkultur organisiert, bzw. deren Ende
besiegelt zu haben, und den (neuen) Besitzer des Hauses, ein Typ der
wohl auch aus der Szene stammt und die Räumlichkeiten der Bar für
wahrscheinlich nicht wenig Geld vermietete. Das soll ihm hier nicht
angekreidet werden, heute versuchen die meisten Leute ja auf die
verrückteste Art und Weise, Geld zu verdienen (zB. indem sie
unbekannte Bands veranstalten oder ausschliesslich Bratwürste bzw.
"nur" Regale verkaufen), aber dass er die Bar als willkommene
Gelegenheit sah, sein Haus endgültig zu entmieten ist nicht gerade
die feine Art ... PfuiPfui. Brr, da wird einem kalt.
BAD KLEINEN
Nun wieder wieder ein Lichtblick 2002. Anfang letzten Jahres bot
sich noch die Gelegenheit, drei Monate ins Bad Kleinen zu gehen,
bevor diese Bar endgültig schloss (Lebensdauer ca. 6 Monate). Ein
schlichter, würfelförmiger Raum, in dem viele nette Menschen ein bis
zwei mal die Woche miteinander redeten, rauchten und soffen. Wie
eine Bar eben sein muss. Wäre längst in Vergessenheit geraten, wie
so viele kurzlebige Bars der letzten Jahre, wenn die Macher nicht
unter demselben Namen einen Ausgehplan und Newsletter rausgeben und
unter www.tontransfer.de anderes krudes, schönes und interessantes
Zeug an den Mann bringen würden. Übrigens: das Bad Kleinen hat an
neuem Ort wieder geöffnet!
nbi
Eine weitere Wiedereröffnung im letzten Jahr: das nbi. Nach drei bis
vier Jahren im Untergrund/Hinterhof mit zwei bis drei Tagen in der
Woche und dem definitiven Minimal-Elektronik-Noise-Experimental
Programm, schloss das nbi seine Pforten, um drei Monate später, es
war im Mai, in der Schönhauser Allee als das neue nbi zu eröffnen.
Seitdem ist der Laden legal, täglich und leise. Mehrere Veranstalter
präsentieren dort ein ähnliches Programm (MinimalAbstractElectronikFrickel)
wie vorher, etwas abwechslungsreicher (auch mal Karaoke), der Laden
ist grösser, loungiger und verrauchter. Kürzlich ist der aktuelle
nbi Sampler (nbi neu) auf hauseigenem Label herausgekommen, er
präsentiert einen guten Querschnitt auf das Programm des letzten
halben Jahres. Leider ist die dem nbi auferlegte Lärmbeschränkung in
manchen Fällen keine Herausforderung für die Künstler, sondern
einfach nur nervend. Manche Musik benötigt Lautstärke. Was soll aus
dem nbi werden, wenn im Jahr 2003 alle nur noch Hardrock und
Bratzgitarren hören wollen? Das Label MorrMusik jedenfalls
veröffentlicht einen Künstler mit dem programmatischen Namen "Guitar"
und läutet damit das Ende der Arztpraxis- und
Werbeagenturbeschallung ein: Ein grosser Schritt in Richtung Black
Sabbath. Nichtsdestotrotz ist und bleibt das nbi einer der schönsten
Clubs 2002/2003! Doch lustigerweise sehen die Macher ihren Laden
nicht als Club!
Chaussestr37
Von vielen praktischerweise "Kunst und Technik" genannt (die
Chaussestrasse37 hatte nie einen Namen und einer der Betreiber kam
vom Kunst+Technik) war dieser Ort in der ersten Hälfte des Jahres
2002 einer der Besten in Berlin, um nett auszugehen. Mittwochs, der
leise Abend, mit guter Musik zwischen Minimalelektronik und
Heulsusensongwritertum und vielen netten Menschen, Samstag, der
laute Abend, immer bumsvoll mit Architekturstudenten und krachendem
Techno und House. Der Raum an sich war schon einen Besuch wert (roh
und leer mit einer Galerie, von der man heimlich die Gäste
beobachten konnte). In der zweiten Hälfte 2002 konnte man dem Club
beim langsamen Sterben zusehen... Nachdem sich die beiden Betreiber
zurückgezogen hatten und Gastveranstalter Abende machten, wurde es
qualitativ zwar nicht schlechter, aber irgendwie war das Feuer
abgebrannt, irgendwas fehlte. Was? Den Ort wird es wohl weiterhin
geben, mit einem neuen Betreiber, und dann wird er wahrscheinlich
auch einen Namen bekommen (Bagdad? Littleton? oder Starbucks?)
Trakaba / ToraBora
Zwei weitere schöne Läden (ToraBora war die Wohnungsbar für guten
House!; Trakaba hatte wöchentlich geöffnet und bot hochqualitative,
meist elektronische, Musik mit DJhighlights), die es im letzten Jahr
gab und deren Namen wohl nicht verschwinden werden (es gibt einen
ToraBora Newsletter; Trakaba macht bestimmt irgendwo wieder mal auf)
Maria am Ufer
Die meisterwarteste Clubneueröffnung im letzten Jahr war natürlich
die der Maria. Niemand wusste wo sie aufmacht und plötzlich war sie
im ehemaligen Deli. Was gibt´s da viel zu sagen. Das Programm ist
nach wie vor einmalig und das Beste in der Stadt (viele Livesachen!),
der Ort ist wunderbar (sehr gross und verwinkelt mit schöner Bar)
und es wird jetzt Astra (!?) ausgeschenkt. Neben dem WMF ist die
Maria wohl der Untergrundclub mit dem besten Draht zu Öffentlichkeit
und Medien.
Golden Gate
Dieser langerwartete Club von zwei alten Berliner Barhasen (ein Jahr
vorher gab es schon die ersten Gerüchte) konnte das geschürte hohe
Erwartungspotential nicht ganz einhalten, ist aber trotzdem einer
der besten Orte um nette Leute zu treffen und gute Musik zu hören
und das alles an einem sehr schönen Ort, ein S-Bahnbogen,an einer
Verkehrsinsel gelegen. Leichte inhaltliche Orientierung an der
legendären galerie berlintokyo (gute Preise, wenig Werbung,
Kunst+Club)
Zentral
Das Zentral ist so ne Sache. Auch ein wunderschöner S-Bahnbogen.
Viele gute Abende. Mal viele Leute, mal fast keine. Wurde von der
Presse als der neue Untergrund-Club 2002 gefeiert. Vielen ist die
Luft dort zu schlecht. Doch wo ist die Luft denn gut?
Das war ein kleiner Rückblich auf die Orte des letzten Jahres. Es
fehlen San Remo, Blumenladen, Rochenbar, und viele andere... Es gibt
auch noch viele Leute die den einen oder anderen Club der hier
genannten immer noch nicht kennen oder höchstens ein- oder zweimal
besucht haben. Das liegt daran, dass es bisher keiner der Betrieber
geschafft hat, eine feste Szene um seinen Laden zu bündeln
(Ausnahme: White Trash). Aber vielleicht ist das ja gar nicht nötig.
Berlintokyo forever, oder was ? Grosse Hoffnung 2003 und schon jetzt
einer der besten Läden ist übrigens das Ausland.
– Februar 2003
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